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Sonntag, 31. Januar 2021
Dienstag 14. Februar 2012

Wie Autofahrer auf das Rad umsteigen

Rubrik: Aktuelles
Von: Mag. Gerhard Prieler, Stv. Vorsitzender von Radlobby OÖ

50 % aller Wege in OÖ enden nach weniger als 3 Kilometern, bei den Wegen innerhalb einer Gemeinde sogar 77 %. Für ca. 60 % aller Autofahrten in Linz gibt es keinerlei Sachzwang, ein Auto zu benutzen. Bis zu einer Distanz von 3 km ist das Fahrrad innerorts das schnellste Verkehrsmittel. 30 Minuten tägliches Radfahren vermindert das Infarktrisiko um 50 %. Viele Zahlen, die eindeutig für das Radfahren sprechen.

Push- und Pull-Maßnahmen (Priewasser)

Doch die Frage lautet: Wie ist eine Verhaltensänderung bei der Wahl des Verkehrsmittels zu erreichen? Wie gelingt es, dass mehr Menschen vom Auto auf das Fahrrad umsteigen? Und was können Radinitiativen dazu beitragen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Initiative FahrRad OÖ vor kurzem bei ihrer ersten Klausur. Und das mit Unterstützung durch den Linzer Univ. Prof. Reinhold Priewasser, stv. Vorstand des Instituts für Umweltwirtschaft.

Vorausgegangen war in den letzten Monaten eine Diskussion über die zukünftige Ausrichtung und Schwerpunktsetzung der Initiative FahrRad OÖ. Seit drei Jahrzehnten galt das Engagement primär der Verbesserung der Radinfrastruktur. Im Vordergrund stand die Schaffung attraktiver Radrouten, die Öffnung von Einbahnen, die Beseitigung von Lücken im Radroutennetz sowie der Errichtung von Radabstellanlagen. Vor allem in Linz konnte durch kontinuierliche und hartnäckige Arbeit in diesen Bereichen einiges erreicht werden. Und trotzdem: wenn man mit LinzerInnen redet, kommt sehr häufig die Meinung zum Ausdruck: „In Linz kann man nicht Rad fahren“. Entsprechend ist – trotz deutlich verbesserter Infrastruktur – der Radverkehrsanteil nicht gravierend gestiegen.

Die Initiative FahrRad OÖ definierte nun ihre Ziele neu: das Image des Radfahrens als trendige Zukunftsmobilität zu fördern und öffentlich deutlich zu machen, dass Radfahren zu mehr Lebensqualität führt, für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Dies soll neben der weiteren Verbesserung der Radinfrastruktur ein Schwerpunkt der zukünftigen Aktivitäten sein.

Laut Prof. Priewasser sind umfassende Anstrengungen auf allen Ebenen notwendig, damit Menschen ihre Einstellungen sowie ihr Verhalten und – noch schwieriger – ihre Gewohnheiten ändern. Es braucht dazu einen ausgewogenen Mix aus „harten“, also infrastrukturellen und „weichen“ Maßnahmen und eine Kombination aus „Pull“- und „Push“-Strategien, also fördernden und restriktiven, einschränkenden Maßnahmen (siehe Grafik "Push- und Pull-Maßnahmen").

„Wenn man PKW-Fahrer erreichen will, muss man sie bei ihren Bedürfnissen erreichen. Verhaltensänderungen sind nur dann möglich, wenn sie vom Betroffenen als positiv erlebt werden“ (Priewasser). Was die Sache nicht einfacher macht: Die verschiedenen gesellschaftlichen Milieus brauchen Unterschiedliches, das ihnen jeweils attraktiv erscheint. Zählen für die einen Motive wie Gesundheit und Fitness, sind es für andere vor allem der Spaß, während für sozial-ökologische Milieus Motive wie Umweltschutz und gesellschaftliche Verantwortung relevant sind.

Bei der Wahl des Verkehrsmittels fließen verschiedene Kriterien ein:

  • sachbezogene Qualitätsmerkmale wie Zeit, Bequemlichkeit, Kosten, Flexibilität
  • sozio-emotionale Bedürfnisse: ich-bezogene Wünsche sowie das Image des jeweiligen Verkehrsmittels und
  • das Wissen, die Erfahrungen, Einstellungen, und das (Umwelt-)Bewusstsein des Einzelnen
  • falls vorhanden personen-, zweck- bzw. systembezogene Sachzwänge

Die Fahrradnutzung hängt von verschiedenen Rahmenbedingungen ab:

Äußere Rahmenbedingungen

  • Verkehrsbedingungen im Quell- u. Zielgebiet
  • (Verkehrsdichte, Parkmöglichkeiten, ÖV-Angebot)
  • Fahrrad-Infrastrukur
  • Verkehrsrechtliche/organisatorische Situation
  • Verkehrsatmosphäre (in Städten, Unternehmen)

Persönliche Rahmenbedingungen

  • Autobesitz/Führerscheinbesitz
  • Wissen
  • Einstellungen, Bewusstsein/Prioritäten
  • (Gesundheit, Fitness, Freude an Bewegung, Umwelt)
  • Alter, körperliche Verfassung

Situative Rahmenbedingungen

  • Mobilitätszweck, Transportbedarfe, Mobilitätsketten
  • Entfernung(en),
  • Jahreszeit/Witterung
  • „Fahrradklima“ im sozialen Umfeld

Die Quintessenz von Priewassers Ausführungen: Umstiege vom Pkw auf das Fahrrad können nur gelingen durch ein abgestimmtes Zusammenspiel von

  • Push- und Pull-Maßnahmen
  • Information und Lobbying, Kommunikation (Imagekampagnen, öffentliche Vorbilder etc.), Anreize (Aktionstage; Gewinnspiele, Radfeste usw.) und
  • das Aufbrechen von Gewohnheitshandeln.

Prof. Priewasser sieht als Schlüssel für die Steigerung des Alltags-Radverkehrs die Betriebe. Denn der Arbeitsweg ist der am regelmäßigsten zurückgelegte Weg. Hier bilden sich am stärksten Gewohnheiten heraus. Und die Benutzung des Fahrrads durch die MitarbeiterInnen ist für Betriebe ein Pluspunkt: sie fördert die Fitness der Beschäftigten, reduziert damit Krankenstände, ermöglicht zeitliche Flexibilität und spart wertvollen Raum und somit Kosten für Parkplätze. Projekte wie die im Vorjahr erstmals durchgeführte Aktion „Österreich radelt zur Arbeit“ sind hier eine sinnvolle und effiziente Strategie, die nach Ansicht der Initiative FahrRad OÖ in den nächsten Jahren unbedingt weiter ausgebaut und verstärkt werden sollte.

Auch auf anderen Gebieten strebt die Initiative FahrRad eine verstärkte Kooperation mit dem Radfahrbeauftragten des Landes OÖ und den Gemeinden an. So will man sich beim Vernetzungstreffen der bisher von der oö Radberatung beratenen Gemeinden beteiligen sowie sich einsetzen für die Einrichtung einer Homepage und eines Newsletters durch das Land OÖ, der Gemeinden Ideen, Informationen und Kontakte liefert, was sie zur Förderung des Alltagsradverkehrs tun können.

Um die Arbeit der Initiative FahrRad auf OÖ-Ebene zu verstärken soll ein Netzwerk an Kontaktpersonen in möglichst vielen Gemeinden geschaffen werden. Mit Hilfe professioneller Unterstützung soll eine so genannte Netzwerkanalyse und außerdem eine weitere Klausur zum Thema ökosoziales Marketing durchgeführt werden.
Eine ganz konkrete Idee ist die Durchführung eines Fotowettbewerbs zum Thema Radfahren in Kooperation mit einem oberösterreichischen Printmedium.

Die neue Schwerpunktsetzung der Initiative FahrRad OÖ in Richtung verstärkter Image- und Bewusstseinsbildung wird auch durch anerkannte Verkehrsexperten wie Heiner Monheim bestätigt. Die Radinitiative ist zuversichtlich, auf diese Weise noch mehr Menschen für den Umstieg auf das Fahrrad motivieren zu können.



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