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Sonntag, 31. Januar 2021
Dienstag 24. April 2012

Radverkehr hat in OÖ großes Potenzial - Experten sehen hohe Defizite in der Radverkehrsförderung

Rubrik: Aktuelles

Im Entwurfspapier für ein Gesamtverkehrskonzept für den Großraum Linz haben Experten den Verkehr im Großraum Linz unter die Lupe genommen: der Weganteil des Fahrradverkehrs wird als „auffallend niedrig“ bezeichnet, was auf ein „großes Defizit in der Radverkehrsförderung und in der öffentlichen Wahrnehmung des Radverkehrs als Verkehrsmittel“ schließen lässt. Grundlegende Veränderungen der Planungs- und Entscheidungsprozesse seien notwendig, um die Ziele einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung zu erreichen und eine Verschärfung der bestehenden Verkehrsprobleme zu verhindern. Die Experten bestätigen damit die langjährigen Forderungen der Initiative FahrRad OÖ, dass nur durch massive gemeinsame Anstrengungen der Stadt Linz, der Umlandgemeinden und des Landes Oberösterreich das Ziel erreicht werden kann, Radfahren zu einem flächendeckend attraktiven Alltagsverkehrsmittel zu machen.

„Der Radverkehr hat in der Gesundheitsentwicklung der Bevölkerung einen großen Stellenwert, der heute zu wenig beachtet wird“, stellen die Experten fest. Der Radverkehr hat im innerörtlichen Bereich ein relativ großes Potential, Autofahrten bis zu einigen Kilometern zu ersetzen. Während sein Anteil im Linzer Zentralraum laut der letzten offiziellen Erhebung 2001 bei 5 % lag, sehen die Experten sein Entwicklungspotential bei einem Anteil von weit über 10 %, was aber „großer Anstrengungen“ bedarf. Der Schwerpunkt des Radverkehrs liegt nach Meinung der Experten vor allem „im nahen Schüler- und Ausbildungspendlerverkehr, im Einkaufs- und Freizeitverkehr und im Berufspendlerverkehr“.

Während für den touristischen Freizeitradverkehr eine Reihe von Routen eingerichtet wurden, bezeichnen die Experten das Angebot für den Alltagsradverkehr „gemessen an den Zielsetzungen sowohl in der Stadt Linz als auch im Großraum Linz als schlecht“ und sehen für den Fahrradverkehr „großen Nachholbedarf“. Das Anbieten einzelner Routen für den Tourismus wird dazu als „nicht ausreichend“ dargestellt. Zu einem attraktiven Radverkehrsangebot gehören neben einem flächendeckenden und vor allem auch alltagstauglichen Radverkehrsnetz auch „die Bereitstellung von Radabstellplätzen, Verleihstationen, ein gutes Angebot an Fahrradverkaufs- und Reparatureinrichtungen sowie gute Informationsangebote und ein permanentes Marketing. Großteils fehlen jedoch durchgehende Radrouten, insbesondere Radrouten für den lokalen und regionalen Werktagsverkehr und ihre attraktive intermodale Verknüpfung mit dem öffentlichen Verkehr“. Letzteres könnte durch hochwertige Fahrradabstellanlagen an den Haltestellen und Bahnhöfen, durch die Möglichkeit, das Fahrrad in öffentlichen Verkehrsmitteln (insbesondere auch Bus und Straßenbahn) mitnehmen zu können sowie durch Leihradsysteme mit Stationen an den Verkehrsknotenpunkten erreicht werden. Insbesondere bestehe „Nachholbedarf an den Schnittstellen zwischen dem regionalen und dem städtischen Radroutennetz in der Landeshauptstadt Linz“.

Die Experten sprechen generell von einer größer werdenden Kluft zwischen dem Ziel einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung und der tatsächlich stattfindenden Entwicklung: „Eine wirkliche Lösung dieses Problems erfordert eine Veränderung der Planungs- und Entscheidungsprozesse in vielen Bereichen, die über eine rein fachlich orientierte Verkehrsplanung hinausgehen. Ohne massive Gegenmaßnahmen ist eine Verschärfung der bestehenden Verkehrsprobleme zu erwarten. Entgegen dem abnehmenden Trend soll der Weganteil des Fußgänger- und Fahrradverkehrs in Zukunft gesteigert und der Anteil des motorisierten Individualverkehrs reduziert werden.“ Neben attraktivierenden Maßnahmen (Pull-Maßnahmen) für den Radverkehr, den öffentlichen Verkehr sowie dem zu Fuß Gehen sind dazu nach Einschätzung der Experten unbedingt auch restriktive Maßnahmen (Push-Maßnahmen) für den Autoverkehr z.B. in Form von Parkraumbewirtschaftung und Zufahrtsdosierungen notwendig: Nur durch eine konsequente und gleichzeitige Verfolgung von Push- und Pull-Maßnahmen gelinge eine Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr zum Umweltverbund.

„Der Konzeptentwurf bestätigt unsere Wahrnehmung, dass in Oberösterreich zwar immer wieder etwas für den Radverkehr getan wird, dass sich diese Bemühungen aber zu sehr auf den Radtourismus konzentrieren. Um Radfahren im Alltag attraktiver zu machen, bedarf es gegenüber bisher eine massive Steigerung der Radverkehrsförderung. Es kommt in dem Papier klar heraus, dass ein 'Weitermachen wie bisher' nur zu einer Verschärfung der Verkehrsprobleme führt und eine radikales Umdenken in der Verkehrsplanung und -politik notwendig ist“, kommentiert Mirko Javurek, Vorsitzender der Initiative FahrRad OÖ die Ergebnisse des Konzeptes. „Dazu braucht es sowohl deutlich höhere Budgets für den Radverkehr, aber auch mehr Personaleinsatz bei der Stadt Linz, bei den Gemeinden und beim Land OÖ sowie eine mutigere und zukunftsweisende Verkehrspolitik, die im urbanen Raum den vorhandenen Straßenraum zu Gunsten der sanften Mobilitätsarten (Rad Fahren, zu Fuß gehen und öffentlichen Verkehr) neu aufteilt. Attraktive Anbindungen des Linzer Radverkehrsnetzes an die umliegenden Gemeinden, insbesondere Leonding, Wilhering, Steyregg und Gallneukirchen müssen umgehend realisiert werden.“

Woran es bisher scheitert

Die Ziele für eine Trendwende im Verkehr sind seit längerem in diversen Konzepten festgelegt. Dennoch ist keine Trendwende in der Verkehrsplanung im Großraum Linz in Sicht. Generell herrscht nach wie vor eine vorwiegend autoorientierte und zögerliche Verkehrspolitik und -planung. Im Besonderen stellt die Initiative FahrRad OÖ fest:

  • Imagekampagnen für das Radfahren fehlen
  • bei Verbesserungsmaßnahmen für den Radverkehr werden häufig erst Verkehrs-Großprojekte abgewartet (Waldeggstraße, Hinsenkampplatz)
  • fehlende Bereitschaft Flächen umzuwidmen (Parkplätze, Fahrspuren)
  • Einsatz geringer finanzieller Mittel zur Förderung des Radverkehrs, kaum Sonderbudgets für Großprojekte für den Radverkehr
  • Sicherheitsargumente werden oft vorgeschoben gegenüber fahrradfördernden Maßnahmen (z.B: in Linz: Herrenstraße, Rampe Tiefgarage Bahnhof, Einbahnöffnungen), sehr unterschiedliche Bewertung bei Neuanlagen im Vergleich zu Bestand
  • gemeindeübergreifende Planungen fehlen
  • es gibt im Großraum Linz keine maßgeblichen (Verkehrs-)Politiker, die selbst Alltagsradler sind
  • Personeller Mangel in der Radverkehrs-Planung (3-5 Personen alleine in Linz wären erforderlich)

Forderungen

Um den Alltagsradverkehr im Großraum Linz zu fördern und den Wegeanteil auf 15 % zu erhöhen, fordert die Initiative FahrRad OÖ die im Folgenden angeführten Maßnahmen. Viele Punkte davon sind auch im Manifest für ein radverkehrsfreundliches Österreich (siehe Beilage) enthalten, dessen Umsetzung die österreichischen Radfahrinitiativen gemeinsam fordern.

1. Push-Maßnahmen, einschränkende Maßnahmen für den Autoverkehr

  • Parkgebühren erhöhen auf 1,50 Euro pro Stunde
  • Reduktion von Parkplätzen
  • gebührenpflichtige Kurzparkzonen ausweiten
  • verpflichtende Parkgebühren für Einkaufszentren (Verkehrserregerabgabe)
  • Besteuerung von Gratis-Parkplätzen von Firmen
  • Einrichtung von Umweltzonen
  • Busspuren statt Autospuren, Öffnung für RadfahrerInnen
  • Ampelschaltungen fahrradfreundlicher gestalten
  • Zufahrtsbeschränkungen (City-Maut, Pförtnerampeln, …)
  • Flächendeckend Tempo 30

2. Allgemeine Maßnahmen

  • Beschlussfassung eines gemeindeübergreifenden Radverkehrskonzepts mit entsprechenden Prioritätensetzungen und zeitlichen sowie budgetären Planungen in allen Gemeinden im Großraum Linz
  • Installierung von Radverkehrsbeauftragten in allen Gemeinden im Großraum Linz mit entsprechenden Kompetenzen sowie Ressourcen
  • Erhöhung der Budgetmittel zur Förderung des Alltagsradverkehrs auf Landes- und Gemeindeebene: 15 % des Verkehrsbudgets (derzeit in Linz: 1-2 %)
  • Schwerpunktaktionen und Großprojekte für den Radverkehr
  • Einführung verpflichtender Radverträglichkeitsprüfungen in allen Gemeinden im Großraum Linz
  • Schaffung von einheitlichen Radverleihsystemen in den Gemeinden im Großraum Linz

3. Infrastrukturelle Maßnahmen

  • Erarbeitung und Umsetzung eines attraktiven und flächendeckenden Radroutennetzes für den Großraum Linz
  • Einrichtung von Hauptradrouten
  • gemeindeübergreifende Radverkehrsplanung, im speziellen gemeindeübergreifende Routen zwischen Linz und den Umlandgemeinden Leonding, Wilhering, Traun, Gallneukirchen/Engerwitzdorf, Steyregg, …
  • Schaffung eines standardisierten Bewertungssystems zur Umverteilung der Straßenraumnutzung durch die unterschiedlichen VerkehrsteilnehmerInnen um Platz für den Radverkehr zu schaffen
  • gezielte Maßnahmen zur Hebung der Sicherheit im Kreuzungsbereich: Analyse neuralgischer Stellen, rot markierte Radwegeübergänge, vorgezogene Radfahrstreifen, …
  • flächendeckende Radabstellanlagen: Erhebung fehlender oder ungeeigneter Abstellanlagen in allen Gemeinden im Großraum Linz sowohl im öffentlichen Bereich als auch bei Wohnanlagen.
  • Errichtung von Abstellanlagen an den erhobenen Stellen. Im Stadtgebiet von Linz wurde von der Initiative FahrRad 2008 ein Bedarf von rund 10.000 Stellplätzen erhoben.
  • Mitnahmemöglichkeit von Fahrrädern in Öffentlichen Verkehrsmitteln in Linz: Pöstlingbergbahn sowie Straßenbahnen und Busse sowie im Regionalverkehr

4. Öffentlichkeitsarbeits- und Marketingmaßnahmen

  • Erarbeitung und Umsetzung eines integrierten Konzepts für permanentes Marketing für das Alltagsradfahren auf Landes- sowie Gemeindeebene
  • konzertierte Unterstützung der Aktion „OÖ radelt zur Arbeit“ durch die Gemeinden und Betriebe im Großraum Linz
  • individuelle Mobilitätsberatung für potenzielle Umsteiger/innen: Info über günstigste individuelle Radrouten, Kombinationsmöglichkeiten ÖV - Fahrrad
  • Zurverfügungstellen günstiger Radroutenkarten für den Großraum Linz, zusätzlich auch Online- und Smartphone-Applikationen.


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